Gut statt billig

FOCUS-SERIE KRANKENVERSICHERUNG – TEIL 3

Die bessere Leistung gibt es bei privaten Versicherern. Doch der Weg zum optimalen Tarif bleibt verwirrend. Wie Sie solide Anbieter aufspüren. Von FOCUS-Redakteur Matthias Kowalski

Die Treue zu seiner Versicherung wurde Ludolf von Canstein nicht belohnt. 45 Jahre lang überwies er der Vereinten Krankenversicherung Prämien, bis dem Mainzer dieses Jahr die Galle überging: Die Allianz-Tochter hatte den Tarif des 74-Jährigen für ambulante Behandlung binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt und den Eigenanteil auf stolze 3000 Mark hoch geschraubt. Angesparte Altersrückstellungen, die von Cansteins Beitrag noch vor zwei Jahren um lächerliche 3,25 Mark minderten, erwähnt der Versicherungsschein 99 gar nicht mehr. Seine Monatsrechnung: knapp 1100 Mark nur für die Krankenpolice, plus 110 Mark für die Pflegeversicherung.

Über Wege aus der Beitragszange hätte die Vereinte längst informieren müssen: Weil ältere Privatpatienten zu akzeptablen Konditionen praktisch nicht mehr zu anderen Anbietern wechseln können, gilt seit fünf Jahren der Standardtarif, den alle privaten Krankenversicherungen ihren Kunden ab 65 anzubieten haben – Schutz auf Kassenniveau für derzeit maximal 860 Mark Monatsbeitrag. Dazu müssen Versicherer seit 1994 ihre Kunden ohne Probleme in andere vergleichbare Tarife umsteigen lassen – die Vereinte hat vier davon.

Im Tarifdschungel der Inter Versicherung wäre Monika Wernecke aus Hessen beinahe noch schlimmer in die Irre geleitet worden. 1080 Mark Monatsbeitrag waren der Fotografenmeisterin zu viel, und sie verlangte eine Umstellung mit vergleichbarer Qualität. Die Offerte der Inter mit nur noch 768 Mark Monatsprämie klang gut, hatte nur einen Haken: Statt bisher 400 Mark Eigenanteil jährlich sollte sie dafür künftig bis zu 800 Mark berappen, bei schlechterem Schutz. Durch Zufall stieß die Unternehmerin auf einen günstigeren und leistungsstärkeren Tarif, den ihr die Versicherung verschwiegen hatte. Beitragsvorteil: im Jahr bis 1100 Mark. Kommentar der Inter: man sei ja „nicht gezwungen, alle Alternativen zu nennen“.

Leider wahr. Denn laut Gesetz sind Versicherungen lediglich verpflichtet, irgendwelche Umstiegsangebote zu machen – keineswegs nur zum Vorteil der Versicherten. Sie müssen keine Details zu Folgen zum Beispiel für angesparte Altersrückstellungen mitteilen.

Erst im Frühjahr hatte der sonst verbraucherfreundliche Bundesgerichtshof entschieden, dass den sieben Millionen Privatversicherten kein weiteres Auskunftsrecht gegenüber ihren Unternehmen zusteht – für Hans Dieter Meyer vom Bund der Versicherten ein glatter „Verstoß gegen das Transparenzgebot“ .

Der Staatsminister im Kanzleramt, Hans Martin Bury, und die Monopolkommission der Regierung setzen sich dafür ein, dass die quasi lebenslange Bindung der Privatpatienten auf Gedeih und Verderb an das einmal gewählte Unternehmen endlich dem freien Wettbewerb weichen möge. Transparenz über die Altersrückstellungen und sämtliche Tarifwerke der Versicherer wären dafür Voraussetzung. Bislang stehen diese Forderungen noch nicht einmal in einem Gesetzentwurf. Also sind Alternativen für die Suche nach verlässlichen Versicherungen gefragt.

Der Wiesbadener PKV-Analytiker Peter Zinke hat ein einfaches wie einleuchtendes Kriterium für die Wahl eines soliden Krankenversicherungsunternehmens gefunden: die Anzahl der Tarifwerke, in denen Kunden bei einem Anbieter versichert sind (vgl. Tab. S. 333). Je weniger – oft geheim gehaltene – Tarifwerke, desto besser hat das Unternehmen seinen Versichertenbestand gepflegt. Neue Billigtarife waren unnötig, um Neugeschäfte anzuziehen, weil der alte Tarif konkurrenzfähig ist.

Auch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen hat Sympathien für diese Analyse: „Je mehr Tarifwerke parallel existieren, desto größer ist die Gefahr der Intransparenz für die Versicherten mit allen negativen Folgen.“ Deshalb sind auch die reinen Preis-Leistungs-Vergleiche unbrauchbar. Selbst die Verbraucherverbände vermuten, daß „immer wieder Gesellschaften mit neuen Billigangeboten vorn liegen, während Versicherte in Alttarifen vergreisen und höhere Beiträge zahlen müssen“.

Noch größer ist die Gefahr, wenn Unternehmen zu ihren Alttarifen neue Options- oder Minitarife als Köder auslegen: Experten halten diese Tarife für unterkalkuliert, weshalb hier Prämiensteigerungen programmiert sind. Wollen die ehemals günstig Geköderten wegen Beitragsexplosion oder weil sie bessere Leistungen wünschen in einen Haupttarif desselben Anbieters umsteigen, kommt das böse Erwachen: So verlangen DKV und Victoria beim Umstieg aus ihren Billigtarifen „K95“ bzw. „ET“ nach ein paar Jahren bis zu 100 Prozent Risikozuschlag. Und die Aufnehmertarife sind meist heute schon teurer als Angebote von Unternehmen mit nur einem Tarifwerk ohne Billigköder (vgl. Tab. S. 334).

„Die Kunden sollen ihr Hirn einschalten“, mahnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Gute Krankenversicherungen für 100 Mark ohne Spätfolgen kann es heute einfach nicht mehr geben.“ Peter Zinke: „Solide Versicherer haben solche Mätzchen gar nicht nötig, sie sind auf Dauer preiswerter.“

GRUND ZUM MEUTERN
Ein Indiz für die Seriosität von Krankenversicherungen ist die Kundenzufriedenheit. Beschweren sich überdurchschnittlich viele Kunden beim Bundesaufsichtsamt in Berlin z. B. über Schadenregulierung oder Beitragserhöhungen, ist Vorsicht angebracht.

VORSICHT TARIF-CHAOS
Erste Wahl sollten Anbieter mit wenigen Tarifwerken sein: Beitragssprünge durch Tarif-Hopping bei demselben Versicherer oder erneute Risikozuschläge lassen sich so vermeiden. Das größte Tarifchaos mutet die Inter Versicherung mit mindestens 13 Tarifwerken ihren Kunden zu. Auch billige Ködertarife im Angebot der Gesellschaften sind ein Alarmsignal.

FAVORITEN IM VERGLEICH
Globale, Nürnberger und R+V bieten billige Neutarife an. Doch wer später in die Haupttarife wechseln will, zahlt mehr als bei den Anbietern mit nur einem Tarif Alte Oldenburger oder Süddeutsche. Beide Versicherer bieten ihre Tarife seit über 20 Jahren an. Der FOCUS-Vergleich gilt für eine 38-Jährige:

MEHR WISSEN
Diese Internet-Adressen helfen in Sachen private Krankenversicherung.

www.aladon-peter-zinke.de
Die Wunderlampe in Sachen PKV-Analysen und Hintergründe auf höchstem Niveau

www.bundderversicherten.de/Fragen.htm
Gutes Frage- und Antwortforum für Privatversicherte und solche, die es werden wollen

FOCUS Nr. 39 (1999)

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Quelle: http://www.focus.de/finanzen/news/focus-serie-krankenversicherung-und150-teil-3-gut-statt-billig_aid_181283.html

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