DM 01.02.1993

So drücken Sie Ihre Kosten

Kranke Kalkulation

Auch die Privaten haben die Kosten nicht mehr im Griff. Sichern Sie sich deshalb rechtzeitig gegen höhere Beiträge ab.

Der unabhängige Versicherungs-Vermittler Peter Zinke aus Wiesbaden wickelte sein Geschäft viele Jahre ohne Krach ab. Nun schlägt er Alarm: „Private Krankenversicherer werden ihrer sozialen Verantwortung nicht gerecht.“

Zinke kann diesen Vorwurf belegen. Seit Jahren vergleicht er die Tarife der deutschen Assekuranzen und die zeigen nur noch in eine Richtung – steil nach oben. Nicht nur den gesetzlichen Krankenkassen, auch den Privatversicherern laufen die Gesundheitskosten aus dem Ruder.

Dafür ist die Branche teilweise selbst verantwortlich. Seit Jahrzehnten werben Privatversicherer mit immer großzügigeren Leistungskatalogen. Tendenz: Wir versichern (fast jeden), wir bezahlen (fast) alles.

Diese Großzügigkeit nennt Peter Zinke grobe Fahrlässigkeit: „Solche Werbeaussagen hören sich zwar gut an, doch wenn die Kunden die Leistungen tatsächlich unghemmt einfordern, wird bald die Kalkulation des Versicherers krank.“ Die Folge: Die Beiträge explodieren, der Versicherer verliert seine Wettbewerbsfähigkeit und junge Kunden gehen zur Konkurrenz.

In einer solchen Situation greift die Branche zum letzten Mittel. Sie schließt den alten Tarif und öffnet einen neuen. Fachmann Zinke ist überzeugt, daß „kaum ein,. geschaffen wird, ohne daß zuvor der bisherige wegen zu lascher Risikoprüfung im Neugeschäft oder wegen zu großzügiger Leistungszusagen kaputtgemacht wurde“.

Länger Versicherte werden nun in einen fatalen Kreislauf gezwungen. Ihr Tarif wird fürgesunde Neukunden unattraktiv. Die Durchschnittskosten steigen, entsprechend schnellen die Beiträge hoch. In der nächsten Phase scheren die halbwegs gesunden Versicherten aus. Sie wechseln in den neuen Tarif oder gleich zu einem günstigeren Anbieter. Schließlich bleiben nur noch die Rentner und Kranken im alten Tarif zurück und sollen astronomisch hohe Beiträge zahlen.

Beispiel Barmenia: Mit einem neuen Tarif mauserte sich die ehemals teure Versicherung zu einem der billigsten Anbieter. Den treuen Barmenia-Kunden nützt dies wenig. Nur wenn der Arzt ihnen tadellose Gesundheit bescheinigt, dürfen sie den Tarif wechseln. Mitglieder, die schon einmal längere Zeit krank waren, zahlen kräftige Risikozuschläge. Ein Barmenia-Kundenberater: „Wir lassen uns doch den neuen Tarif nicht kaputtmachen.“

Noch härter springt die Hallesche Nationale mit ihren Klienten um. Bei ihr dürfen Stammkunden den Tarif grundsätzlich nicht wechseln.

Um nicht Opfer einer solchen Entwicklung zu werden, müssen die PKV Kunden hart verhandeln. In jeden Vertrag gehört eine Klausel, die ihnen erlaubt, jederzeit in neugeschaffene Tarife zu wechseln. Und zwar ohne erneuten Gesundheits-Check und unter Mitnahme aller bisherigen Beitragsermäßigungen und Rückstellungen.

Einen netten Tarif aufzulegen nutzen die Krankenversicherer als Notbremse. Doch wenden sie auch subtilere Methoden an, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Die meisten Manager heben zuerst den sogenannten Selbstbehalt an, die Quote also, die der Versicherte aus eigener Tasche bezahlt.

Auch damit wollen die Gesellschaften vor allem junge Mitglieder anlocken. Altkunden, die ihren Selbstbehalt anheben wollen, um die drückende Beitragslast zu senken, werden häufig abgewiesen. Auch dagegen hilft nur eine entsprechende Klausel im Vertrag.

So kleinlich diese Tricks der Versicherer anmuten – sie dienen nur dazu, die Folgen einer zügellosen Großzügigkeit an anderer Stelle zu kaschieren. Viele Makler gehen noch mit dem Argument hausieren. Nur die Police mit dem größten Leistungsspektrum sei verkäuflich. Dagegen warnt Vermittler Zinke seine Kunden vor solchen Angeboten. Denn seine Erfahrung und seine Analysen besagen: Je großzügiger ein Versicherer bei seinen Leistungsversprechen, desto eifriger nehmen dessen Kunden dieses Angebot auch an. Über kurz oder lang müssen die Beiträge dann explodieren.

Inzwischen stößt Zinke mit seinen unkonventionellen Ideen nicht mehr überall auf schroffe Ablehnung. Auch der Sprecher eines privaten Krankenversicherers, der anonym bleiben will, fürchtet „wachsende Instabilitäten in der PKV, weil die Kosten zu schnell wachsen. Die Einführung eines zweiten Tarifwerks gehöre zu den Vorboten. „Für den bereits PKV-Versicherten wird es bei solcher Doppeltarifierung entscheidend darauf ankommen, wie das Unternehmen die Übergangsmodalitäten gestaltet“, folgert der Unternehmenssprecher. Die sich dabei stellenden Fragen seien für die PKV-Kunden „sicherlich bedeutsamer, als den Versicherer herauszufinden, der heute im Neugeschäft etwas mehr oder weniger Beitrag verlangt“.

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Quelle: DM Februar 1993

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Quelle: DM Februar 1993

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Quelle: DM Februar 1993

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